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Ein letztes Posting in dieser Sache. Nachfolgende Auszüge aus Studien, Zusammenfassungen, Landtagsdrucksachen etc. sind auch in diesem Forum nachzulesen.
Den unten zitierten Ergebnissen / Einschätzungen wird m.W. von "Wissenschaftsseite" nur von Prof. Müller (Universität des Saarlandes / passionierter Jäger) und Prof. Pohlmeyer (TiHo Hannover / passionierter Jäger) widersprochen.
"Die größten Verluste bei Bodenbrütern entstünden nach wie vor durch direkte landwirtschaftliche Maßnahmen insbesondere bei konventioneller Bewirtschaftung. Durch die Bearbeitung der Flächen würden die Erstgelege in der Regel zerstört. Sicherlich gebe es auch Einflüsse durch Rabenvögel, diese seien aber meist ultimative Faktoren. Für eine Zunahme der Rabenvögel und dementsprechend zunehmende Auswirkungen auf Bodenbrüter gebe es keine Hinweise, wohl aber für die Verlagerung der Besiedlung in Stadtbereiche." (1)
"Insgesamt wird ein negativer Effekt durch Rabenvögel auch für Bodenbrüter bezweifelt, weil solche Nester eher von Säugern gefunden werden. Entscheidender sind wohl hier menschliche Einflussnahmen (...)" (2)
"Und dann das leidige "Rabenvogelproblem"! Nur soviel lässt sich mit Sicherheit sagen: Ein paar Krähen und Elstern mehr oder weniger entscheiden nicht über das Schicksal des Rebhuhns in der mitteleuropäischen Feldflur. Wer, wie gerade wieder eine angesehene Jagdzeitschrift, mit gefälschtem Foto einer ausgestopften Elster neben dem Gelege eines Bodenbrüters die Schädlichkeit der Rabenvögel "beweisen" will, betreibt nur miese Stimmungsmache zum Schaden der Natur." (3)
"Wir kennen in Sachsen-Anhalt keine Fälle, wo Vogelarten durch Rabenvögel ernsthaft in ihrem Bestand bedroht wurden. Rückgänge (aber auch Zunahmen) waren fast immer durch den Eingriff in Lebensräume bedingt." (4)
"Und die Ergebnisse? Für die meisten sicherlich verblüffend: 70-90 % der Gelegeverluste fanden im Dunklen statt. Mitunter um Mitternacht. Von wegen Krähen - nachts sitzen die ruhig im Baum und ruhen. Nahrungssuchende Säugetiere waren es! Hier ein Fuchs, da ein Marder oder ein anderer Vierfüssler. Welche Tiere es jeweils waren, das kann ein Thermologger nicht erfassen, manche Spur oder charakteristische Ei-Aufbisse geben jedoch Hinweise. Noch aufwendiger wären Untersuchungen mittels Video, doch bringt das auch viele methodische Probleme und Artefakte mit sich. Festzuhalten bleibt, für die überwiegende Masse der Gelegeverluste bei Kiebitzen waren Krähen nicht verantwortlich! " (5)
"Rabenvögel sind Allesfresser (Generalisten) mit einem sehr hohen Anteil Wirbelloser in der Nahrung. Wo sie Gelegenheit dazu finden, räubern sie auch Gelege anderer Vogelarten aus. Dies ist Teil der natürlichen Auslesevorgänge. Eine daraus resultierende Bestandsbedrohung der Beuteorganismen wurde bisher in keinem Fall nachgewiesen. Alle Beuteorganismen haben sich auf die Prädation durch Beutegreifer (u.a. Corviden) im Laufe ihrer Coevolution mit z.T. unterschiedlichen Strategien erfolgreich angepaßt." (6)
Daten aus Freilanduntersuchung zum Nahrungsspektrum von Rabenvögeln :"Der Anteil an Vögeln (bzw. Eiern und Nestlingen) war mit maximal 12 von 4900 (0,2 %; Elster) bzw. 2 von 2266 (0,1 %; Rabenkrähe) Beuteobjekten gering. Festgestellt wurden 8 Eidotter, zweimal Eischalenreste und 4 Nestlinge. Die Vogelnachweise fanden sich in 3,9 % (Elster) bzw. 1,5 % (Rabenkrähe) der Proben und nahmen einen Gewichtsanteil von 2,8 % (Elster) bzw. 1,6 % (Rabenkrähe) ein. Reste von Niederwild konnten nicht nachgewiesen werden. " (7)
"Die Studie, (Anmerkung: Gemeint ist die im vorherigen Abschnitt zitierte Studie) deren Ergebnisse schon im Juni 1998 bekannt waren und die das Ministerium zunächst zu veröffentlichen beabsichtigte, begründet überzeugend, dass Niederwild und Singvögel von Rabenvögeln nicht bedroht sind, ja gar nicht sein können, weil Rabenvögel diese kaum bis gar nicht fressen. " (
"Selbst eine wertfreiere, weniger nach anthropozentrischen Kriterien der Nützlich-Schädlich-Einstufung klassifizierende Betrachtung und umfangreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse wie auch Gutachten in der Ornithologie und vor allem auch der Ökologie (z.B. EPPLE 2000, MARTENS & HELB 1998, MÄCK & JÜRGENS 1999) tun sich trotz aller guter Öffentlichkeitsarbeit in den verschiedensten Medien nach wie vor schwer, gegen permanente negative Lobbyarbeit, vor allem aus der entsprechend interessierten Jagdbranche (u.a. KALCHREUTHER 2001) mit einer finanziell stark fördernden Industrie im Hintergrund, sachlich korrekte Aufklärung zu betreiben. Diese wird zusätzlich dadurch erschwert, dass selbst Fachbehörden und Ministerien wie auch Länderregierungen etwa innerhalb der Bundesrepublik Deutschland aus opportunistischen, „politischen“ Gründen Ergebnisse von sogar selbst in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Gutachten nicht zur Kenntnis nehmen oder missachten und somit fachlich oder sogar gesetzlich falsche Entscheidungen treffen (vgl. EPPLE 2001, HELB 1999a, b, 2001a, b, KOOIKER 1998, KRIENER 2000, MÄCK & JÜRGENS 1999, POSTEL 1999)." (9)
"Die als Begründung für einen Abschuss immer wieder zitierten Argumente einer angeblichen Gefährdung anderer Singvogelarten, von Niederwild oder erheblicher Schäden in der Landwirtschaft sind nach allen seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht haltbar und mehrfach widerlegt worden. Stellvertretend seien hier nur die Untersuchungen von Kooiker, das allgemein verständliche wissenschaftliche Werk von Epple (1997) sowie die umfassende Dissertation von Mäck (199 genannt. Diese Ergebnisse werden auch von regionalen Studien bestätigt (z.B. Bellebaum et al. 1998, Knief et al. 1993). Darüber hinaus ergaben auch die Untersuchungen der Universitäten von Mainz (Prof. Dr. Martens) und Kaiserslautern (PD Dr. H.-W. Helb) im Rahmen des "Rabenvogel-Gutachtens" von 1998 (vgl. Helb 1999) sowie ein aktueller Bericht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) an das Bundesumweltministerium (Mäck et al. 1999), dass eine flächendeckende Bejagung von Elstern, Eichelhähern und Rabenkrähen weder fachlich oder juristisch zu begründen, noch ethisch-moralisch zu rechtfertigen ist." (10)
"Im Zuge der aktuellen Diskussion um den gesetzlichen Schutz von Rabenvögeln geht es immer wieder um die Frage der „Schädlichkeit“ dieser Tiere. Dabei wird u.a. angeführt, daß Rabenvögel durch intensive Nestplünderei die Singvogelbestände dezimieren würden. Insbesondere der Siedlungsbereich steht im Blickfeld der Diskussion, wo Rabenvögel in den letzten Jahren zunehmend zu finden sind. Dadurch wird verstärkt die Aufmerksamkeit des Menschen auf diese Arten gelenkt. Auf der anderen Seite wird plötzlich festgestellt, dass kaum Junge von Kleinvögeln zu sehen sind, obwohl mitunter brütende Vögel beobachtet wurden. Daraufhin fällt das laute Geschackere der Elstern sowie das Krächzen der Krähen und Gezeter z.B. von Amseln auf. Die verschiedenen Beobachtungen werden schließlich miteinander assoziiert, und die altbekannte Theorie von abnehmenden Singvogelbeständen wegen nestplündernder Rabenvögel scheint bestätigt. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen ökologischen Sachverhalt unterbleibt dabei jedoch meistens. " (11)
"Nest site selection is very variable and a consequence of a multi-predator-effect: nest at lower sites are much more vulnerable to predation then elevated nests. (...)The results do not support a management of predator populations as losses can be offset and the predator community is very divers. "
Übertragung:
" Neststandortselektion ist das Resultat eines Multi-Prädatoren-Effektes: Niedrige Standorte werden Opfer von Säugern, hohe von Rabenvögeln, erfolgreiche Nester mitteln dazwischen. (...) Die Resultate sprechen nicht für eine Populationskontrolle der Prädatoren, da die Mönchsgrasmücke an Prädation adaptiert ist und das Prädatorenspektrum sehr divers ist. " (12)
"Sicher ist, dass nur ein geringer Teil der Prädation durch die tagaktiven Rabenvögel verursacht wird, da die Verluste vor allem nachts registriert werden." (13)
"Es ist unbestritten, dass auch Rabenvögel Gelege und Jungvögel prädieren können, doch spielen sie nach den vorliegenden Untersuchungen im Verlustgeschehen überwiegend eine untergeordnete Rolle." (14)
(1)
Landtag Schleswig-Holstein /Umweltausschuß / Agrarausschuß (1997): 12.Sitzung, Anhörung / Begrenzte Freigabe der Bejagung von Rabenvögeln zum Schutze der heimischen Tierwelt und Durchführung einer begleitenden Untersuchung, Stellungnahme: Dr. Wilfried Knief , Staatl. Vogelschutzwarte Schleswig-Holstein, Drucksache 14/70
(2)
Schaefer, T. (2002): Adaption an Nestprädation bei der Mönchsgrasmücke, Diss., Zoolog. Institut d. Univ. Göttingen;
bespr. in J.Ornithol. 144:103-105
(3)
Bezzel, E. (1991): Steht das Rebhuhn noch auf der Tagesordnung?, in: Naturschutz Heute, Ausgabe 1/1991, S. 6-11, Naturschutzbund Deutschland (NABU)
(4)
Gnielka, R. (2004): Stellungnahme zum Abschuss von Rabenkrähen und Elstern, Sachsen-Anhalt, Lantag
(5)
Bellebaum, J. (2001): Im Schutz der Dunkelheit: Wer stiehlt die Eier wirklich? Der Falke, 48. Jg., Nr. 5 (Mai): 138-141.
(6)
Mäck, U. & M.-E. Jürgens (1999): Aaskrähe, Elster und Eichelhäher in Deutschland. Bundesamt für Naturschutz, Bonn: 252 S.
(7)
Martens, J. & W. Helb (199: Wissenschaftliche Begleituntersuchung an Elster (Pica pica) und Rabenkrähe (Corvus c. corone) in Rheinland-Pfalz ",Rabenvögel-Gutachten" der Universität Mainz (Prof. Dr. J. Martens) und der Universität Kaiserslautern (PD Dr. H.-W. Helb) ,1996 - 1998
(
Umwelt Kommunale ökologische Briefe (1999): Martini opfert Rabenvögel der Jagdlobby, UKÖB, Berlin, Nr. 19/1999, S. 1
(9)
Helb, H-W., Epple, W. & U. Mäck (2004): Rabenvögel aktuell: Die vorsätzliche Irreführung der Öffentlichkeit geht massiv weiter, I-Net-Publikation:
http://www.oejv.de/positionen/rabmedia.htm
(10)
Naturschutzbund Deutschland (NABU) (2000): Sollen Rabenvögel gejagt werden? Stellungnahme des NABU, in: Naturschutz heute – Ausgabe 2/00
(11)
Schuppener, M. (1999): Untersuchungen zur Brutökologie der Amsel (Turdus merula) im Klinikviertel von Gießen ,Dipl.Arbeit, Justus-Liebig-Universität Gießen
(12)
Schaefer, Th. (2002): Adaptations to nest predation in the blackcap, Diss., Georg-August-Universität, Göttingen
(13)
Landesregierung Schleswig-Holstein (2001):Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) ,hier: Antwort der Landesregierung – Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten, Drucksache 15/1274
(14)
Ryslave, T. & T. Langgemach (2000): Bodenbrüter und Prädation - ein Artenschutzproblem?, Beitrag zur Tagung der Staatl. Vogelschutzwarte Brandenburg, Okt. 2000