Hallo Zusammen
Mit unserem Wellensittich "Vogi" erging es mir damals ähnlich wie Uschi und ihrem Grauen und ich kann ihre Gefühle sehr gut verstehen.
Das ging damals so: Wir wohnten damals auf dem Lande und hatten Pferde, Hühner, Hunde und Katzen. Früher (bevor ich Katzen hatte) hatte ich immer einen kleinen Schwarm Wellensittiche die frei im Haus rumfliegen durften. Käfigvögel gingen mir schon immer gegen den Strich.
Eines Tages sah ich ein giftgrünes Wellensittich-Weibchen das sich auf unserem Gelände rumtrieb. Ich versuchte sie ein zu fangen, jedoch ohne Erfolg. Sie hatte sich einige Tage auf unserem Reithof rum getrieben und ich war erstaunt, dass ich Vogi Tag täglich immer wieder zu Gesicht bekam. Sie schien sich pudelwohl zu fühlen und sich hier bei uns ein festes Gebiet erobert zu haben. Trotzem wollte ich sie weiterhin einfangen, denn das tuen ja alle Leute wenn sie einen Wellensittich draussen rumfliegen sehen. Ich war jedoch sehr beeindruckt über ihre Anpassungsfähigkeit und habe sie stundenlang draussen beobachtet. Bis ich sie dann endlich einfangen konnte vergingen mehr wie eine Woche.
Ich kramte also meinen alten Wellensittichkäfig hervor und sie kam in ein katzenfreies Zimmer. Aber als ich sah sofort, wie tod unglücklich sie war! Wenn sie im Käfig war, rammte sie den Kopf kläglich schreiend ans Gitter und wenn sie im Zimmer frei war, sass sie stundenlang am Fester und versuchte einen Weg nach draussen zu finden. Sie war einiger Massen zahm und kam auf die Hand. Mein ursprünglicher Plan war es Vogi zu einem Freund in eine grosse Gemeinschaftsvoliere zu bringen, aber schnell wurde mir klar, dass sie wohl auch da nie mehr wirklich glücklich werden würde. Es war einfach eine Gefühlssache und ich wusste instintiv was für sie das Richtige war.
Aber natürlich habe ich lange mit mir gerungen, denn damals hatte ich keine Ahnung, dass es Leute gibt die Papageien im Freiflug halten. Aber ich konnte mich einfach nicht anders endscheiden nachdem ich ihr Leid für 3 Tage beobachtet hatte. Ich kam mir also ziehmlich verrückt vor, als ich den Käfig schnappte und sie damit nach draussen brachte. Ich hänge den Käfig in ihren Lieblingsbaum, so dass keine Katze ran kam. Dort habe ich Vogi dann für 2 Stunden drin gelassen, dann habe ich die Tür geöffnet und sie in die Freiheit entlassen. Den Käfig habe ich dort hängen lassen (jedoch den Boden entfernt damit er nicht mit Wasser volllaufen könnte) und sie weiterhin im Käfig gefüttert.
Ich war zuversichtlich, dass sie draussen zurecht kommen würde, denn ich hatte ja zuvor beobachtet wie gut sie sich zurecht fand. ...Und sie ist dann einige Jahre bei uns geblieben und hatte ein tolles Leben.
Vogi wurde nie richtig Handzahm, aber sie hatte einen katzensicheren Futterplatz an dem ich sie immer gefüttert habe. Allerdings hat sie mit den Jahren immer selteren vom Futterangebot gebrauch gemacht. Schliesslich habe ich sie im Somemr gar nicht mehr zugefüttert, sondern nur noch im Winter.
Meist flog sie jauch zu unseren Hühnern in den Hühnerhof und pickte diesen die Körner weg. Das sah dann immer lustig aus, wenn der kleine grüne Zwerg zwischen ihnen herum hüpfte. Wenn ich die Hühnerschar rief, dann war Vogi auch immer gleich zur Stelle!
Vogi sass oft mit der grossen Spatzenschar in unserem grossen Mirabellenbaum und bald konnte sie alle Vogelstimmen in der Region nachahmen. Wenn sie wütend war, dann verfiel sie jedoch in das berühmte Wellensittich-Gezetter und man hörte sie auch aus der Ferne schimpfen. Es ist wohl wie bei uns Menschen; wir können einen Fremdsprache lernen, doch Fluchen tun wir in unserer Muttersprache
Die Spatzen hatten Vogi ganz selbstverständlich als Mittglied in ihren Schwarm aufgenommen und so flog sie oft mit den Spatzen mit. Auch zum Schlafen liess sie sich inmitten der Spatzen nieder. Doch sie war auch abenteuerlustig und machte oft auch Ausflüge ohne ihre braunen Freunde. Man merkte einfach, dass Vogi intelligenter war als die anderen Vögel, ein echter Papagei eben! Wenn Vogi ihm Dorf rum flog, sah man oft nur einen giftgrünen Pfeil vorbeischiessen.
Der Winter schien ihr gar nichts anhaben zu können. Sie war auch bei -10 Putzmunter und hüpfte im Schnee rum.
Im zweiten Jahr hat Vogi mit viel Gezeter einen Specht aus seiner Nisthöhle in einem Obstbaum vertrieben und sich darin eingenistet. Nur schade, dass sie nie einen Partner hatte. Ich habe mir manchmal überlegt ihr einen Partner zu kaufen, aber das Risiko dass er weg fliegt und dabei umkommt schien mir zu gross. Heute würde ich es wohl versuchen.
Vogi verteidigte ihre Bruthöle mit sehr viel Mut und kein Specht getraute sich mehr in ihre Nähe, obwohl Spechte ja 3x so gross sind wie Wellensittiche. Alle hatten grossen Respekt vor dem kleinen grünen Monster.
Leider hatte Vogi die schlechte (und schlaue) Angewohnheit in unserer Heuscheune ein zu dringen, um die Körner von den Heuhalmen zu gepickt. Kein anderer Vogel hat dies je getahn bei uns, denn sie musste sich dafür durch die engen Ritzen zwischen den Scheunenbrettern zwängen. Dabei wurde sie eines Tages von unserer Katze erwischt und schwer verletzt. Aber zum Glück war mein Vater gerade zu Besuch und hat das ganze mit bekommen. Vogis Schreien war auch kaum zu überhören! Mein Vater hat Vogi aus dem Maul der Katze gerettet und wir mussten sie für 1 Woche beim Vogeltierarzt gesund pflegen lassen. Sie hat überlebt und 2 Wochen später durfte sie wieder in den Freiflug.
Irgendwann nach 4 Jahren kam Vogi, nicht mehr nach Hause. Wir waren sehr traurig, aber wir haben den Entscheid zum Freiflug nie bereut.
Meine Hauswellensittiche wurden meist so um die 15 Jahre alt, aber ich weiss auch nicht wie alt Vogi war als sie uns damals zuflog. Als wir sie fanden war sie bestimmt schon erwachsen und wer weiss, vielleicht hatte sie schon damals ein paar Jahre auf dem Buckel.
Damals (2001) war Vogi eine grosse Sensation in unserer Region aber ich konnte meine Erfahrungen mit niemandem teilen, denn ich kannte niemanden der Vögel im Freiflug hielt.
Ich möchte auch noch anmerken, dass viele Vögel ein festes "Wohngebiet" haben. Wenn man also Papageien im Freiflug halten möchte, sind Arten von Vorteil die kein all zu grosses Flugrevier aufbauen. Von den Venezuela-Amazonen weiss man z.B. dass sie sehr Ortsgebunden sind. Das wurde hier bis jetzt betreffend FF noch nicht erwähnt, deshalb möchte ich es hier anfügen.
Wenn man so viel Land hat wie wir hier in Kanada, dann mag das weniger wichtig sein, in Europa sind die Gefahren beim Freiflug natürlich durch die dichte Zivilisation noch viel ausgeprägter. Wir haben hier in der Region auch kaum Raubvögel. Aber wie Chris Bro von Liberty Wings auch schon sagte, Papageien können durchaus lernen einem Greifvogel aus zu weichen! Allerdings müssen sie dann darauf von Klein auf vorbereitet werden.
Heute ist es mein Ziel meine Papageien im Freiflug zu halten, aber ich bin mir Bewusst, dass es dazu viel Training bedarf und dies momentan (zumindest mit meinem Coconut) noch ein weit entfernter Traum ist. Ich würde es mir jedoch zutrauen die Vögel wie Chris Bro erst selber auf zu ziehen und dann von Klein auf im Freiflug zu halten. Das wäre dann wohl nicht viel anders wie ich es mit Momo gemacht habe.
Es freut mich, dass das Thema Freiflug nun hier so sachlich diskutiert werden kann.
Liebe Grüsse
Sandra